Chronische myeloische Leukämie (CML)
Dr. med. Stephan Kremers, Facharzt für Innere Medizin und Onkologie

 

Was ist eine CML?
Leukämie wird auch als Blutkrebs bezeichnet und ist eine bösartige Erkrankung. Das Wort Leukämie bedeutet weißes Blut. Bei der Leukämie kommt es zu einer krankhaften Vermehrung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten).

Bei der chronischen myeloischen Leukämie (CML) handelt es sich um eine chronisch verlaufende Form der Leukämie. Bei der CML entarten bestimmte Knochenmarkszellen, die sogenannten monoklonalen Stammzellen. Die CML tritt gehäuft bei Menschen mittleren Lebensalters auf. Selten sind Patienten unter 20 Jahre betroffen. Männer erkranken häufiger als Frauen. Die CML macht etwa 15 bis 20 Prozent aller Leukämien im Erwachsenenalter aus. Der Rest verteilt sich auf die akuten Formen der Leukämie (akute lymphatische und akute myeloische Leukämie) sowie die chronische lymphatische Leukämie (CLL). Die CML wird auch als chronische Myelose bezeichnet.

 

Wie entsteht eine CML?
In vielen Fällen ist die Ursache der Erkrankung unbekannt. Als Risikofaktoren gelten u.a. eine erhöhte Belastung durch Strahlen oder Benzol. Bei über 90 Prozent der CML Patienten findet sich Veränderungen des Chromosoms (Träger der Erbinformation) 22, des sogenannte Philadelphia-Chromosom. Auf dieses Chromosom wird fälschlicherweise zusätzliches genetisches Material (Erbinfromation) vom Chromosom 9 verlagert. Dadurch wird ein gefährliches Eiweiß (Tyrosinkinase) gebildet, das eine unkontrollierte Teilung von Blutzellen verursacht.

 

Wie macht sich eine CML bemerkbar?
Die Erkrankung beginnt schleichend und macht zu Beginn keine Beschwerden. Etwa acht Jahre vergehen im Durchschnitt zwischen dem Zeitpunkt der Entartung der Knochenmarkzellen und der Diagnosestellung. Bei der CML werden drei Stadien unterschieden:

Chronisch stabile Phase: das Leitsymptom ist eine Zunahme der weißen Blutkörperchen im Blut (Leukozytose) und eine Vergrößerung der Milz (Splenomegalie). Die Milzvergrößerung kann zu Druckgefühl im linken Oberbauch führen. Zusätzlich treten Allgemeinsymptome wie Müdigkeit oder Leistungsminderung auf.

Akzelerationphase (Übergangsphase): die Leukozytose nimmt zu, die Zahl der roten Blutkörperchen und der Blutplättchen nimmt ab. Typische Symptome sind Blässe, Herzrasen, Luftnot, Nasen- und Zahnfleischbluten. Zudem können auch Nachtschweiß und Fieber auftreten.

Blastenschub: alle Patienten, die nicht vorher an einer Komplikation sterben, erleiden am Ende der Erkrankung einen Blastenschub. Dabei werden aus dem Knochenmark unreife Vorstufen von Blutzellen (Myeloblasten und Promyelozyten) in großer Zahl in das Blut abgegeben. Der Verlauf dieser dritten Phase gleicht einer akuten Leukämie und endet in der Regel rasch tödlich.

 

Wie erkennt ein Arzt eine CML?
Die Diagnose Leukämie ist häufig ein Zufallsbefund beim Hausarzt. In einer Routine Blutuntersuchung wird eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen nachgewiesen. Bei Verdacht auf eine CML wird zusätzlich eine Chromosomenanalyse durchgeführt Der Nachweis des Philadelphia-Chromosoms beweist das Vorliegen einer CML. Neben der Blutuntersuchung und einer körperlichen Untersuchung wird der Arzt auch eine Knochenmarkpunktion vornehmen, um die Diagnose zu sichern.

 

Wie wird die CML behandelt?
Steht die Diagnose fest, wird in allen Stadien der Erkrankung sofort therapiert. Die Behandlung beginnt normalerweise mit der Gabe von Interferon-Präparaten, welche durch die Bauchdecke gespritzt werden sowie einer Chemotherapie in Form von Tabletten oder Spritzen.

Interferon-alpha wird frühzeitig eingesetzt: etwa 75 Prozent der Patienten mit CML in der chronischen Phase sprechen auf eine derartige Therapie an. In über 50 Prozent kommt es zu einer Normalisierung des Blutes sowie einer Rückbildung der Milzvergrößerung und der Beschwerden. Weniger als zehn Prozent der Betroffenen sind dadurch komplett geheilt. Da nach einer Beendigung der Interferon-alpha-Gabe die Erkrankung zumeist erneut auftritt, wird Interferon-alpha als Dauertherapie verabreicht.

Chemotherapie : eine Chemotherapie führt zur Rückbildung der Krankheitszeichen, eine vollständige Genesung gelingt jedoch nicht. Mit zunehmender Krankheitsdauer sind höhere Medikamentendosen nötig. Nach durchschnittlich 3 Jahren chronischer Krankheitsphase kommt es zum Übertritt in die Akzelerationsphase und schließlich zum Blastenschub. Dieser wird wie die akute Leukämie mit der Kombination mehrerer Zytostatika behandelt. Die Dauer eventueller Krankheitsrückbildungen sind jedoch nur kurz.

Imatinib ist ein neues Medikament und ein Hemmstoff der Tyrosinkinase. Dadurch können sich die kranken Blutzellen nicht mehr so stark vermehren und sterben schneller ab. Imatinib wird derzeit nur Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit gegeben oder aber, wenn eine Behandlung mit Interferonen im chronischen Stadium nicht mehr wirkt. Ob es auch zur frühzeitigen Behandlung der CML oder in Kombination mit den anderen Therapiemöglichkeiten geeignet ist, wird zur Zeit in Studien untersucht.

Knochenmarktransplantation : eine Heilung der CML kann nach heutigen Erkenntnissen nur eine allogene Knochenmarktransplantation herbeiführen, bei der Knochenmark von einem Menschen (Spender) auf einen anderen Menschen (Empfänger) übertragen wird. Diese ist in der Regel nur unter zwei Voraussetzungen möglich: Die Patienten sind jünger als 55 Jahre, und es wurde zuvor ein geeigneter Knochenmarkspender gefunden. In der Regel handelt es sich bei diesem Spender um ein Geschwister des leukämiekranken Patienten. Nach Knochenmarkstransplantation von Familienspendern in der chronischen Phase der CML leben nach 10 Jahren noch etwa 55 Prozent der Patienten.

 

Prognose der CML
Unter Interferon-alpha-Therapie, sowie nach Knochenmarkstransplantation leben nach fünf Jahren noch etwa 60 Prozent der Patienten mit CML. Nach alleiniger Chemotherapie leben nach fünf Jahren noch etwa 30 Prozent der Patienten. Heilungen sind bisher nur nach Knochenmarkstransplantation beobachtet worden.

 

 

Hoffnung für Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie

Die chronisch myeloische Leukämie (CML) ist eine besondere Form von Blutkrebs. Hier mutieren Zellen der myeloischen "knochenmarksständigen" Reihe. Das sind Vorläuferzellen von weißen Blutzellen wie Granulozyten, Monozyten und Makrophagen, allesamt wichtige Bestandteile des Immunsystems. Dabei bindet sich ein Teil von Chromosom 22 an Chromosom 9 an. Das nunmehr verkürzte Chromosom 22 - auch Philadelphia-Chromosom genannt - findet sich bei mehr als 95 Prozent der CML-Patienten.

Durch diese Verlagerung von genetischem Material entsteht ein gefährliches Eiweiß, das die unkontrollierte Teilung der Blutzellen auslöst. Die Erkrankung äußert sich zunächst in Müdigkeit, Gewichtsverlust, einer Milzvergrößerung und der erhöhten Anzahl weißer Blutkörperchen. Nach einer chronischen Phase, die mehrere Jahre dauern kann, beschleunigt sich der Krankheitsverlauf. In der Blastenkrise versagt das Immunsystem schließlich völlig. Bisher war eine Knochenmarktransplantation die wirkungsvollste Therapiemöglichkeit.
Neues Medikament hemmt krankhafte Zellvermehrung

Von Novartis gibt es ein neues Medikament, das ganz gezielt in die Steuerung der Krebszelle eingreift und die krankhafte Zellvermehrung hemmt. In der chronischen Phase normalisierte sich bei nahezu allen Patienten, die an den klinischen Studien teilnahmen, die Anzahl der weißen Blutzellen. Bei Behandlungsbeginn unmittelbar nach Erkennen der Erkrankung fanden sich bei dem größten Teil der Patienten in der frühen Erkrankungsphase auch kaum noch Krebszellen mit dem Philadelphia-Chromosom. Diese beeindruckenden Daten sind aber mit Vorsicht zu bewerten, da noch keine Langzeitergebnisse vorliegen.

Ein zentrales Anliegen von Novartis war es, die Patienten so schnell wie möglich mit dem Wirkstoff zu versorgen. Deshalb wurde ein beschleunigtes Zulassungsverfahren beantragt und die Produktion in Rekordzeit von Kilogramm-Mengen auf Tonnen umgestellt. Außerdem erhielten weltweit mehr als 7500 Patienten in erweiterten Studien Zugang zu dieser neuen Therapie. Seit November 2001 ist das Medikament in Deutschland auf dem Markt.

Die Möglichkeiten zum Einsatz dieses neuen Medikaments sind jedoch nicht unbegrenzt. Da es ganz gezielt auf den genetischen Fehler, der zur chronisch myeloischen Leukämie beziehungsweise zu GIST führt, zugeschnitten wurde, ist eine Wirkung bei anderen Krebsarten nicht unbedingt zu erwarten.